Nelly Mann – eine Biografie über das schwarze Schaf der Literaten-Familie

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Autor: S. Benedict-Rux
4. April 2008

31gvULXkP L. SL160Bislang haben die Biografen um Nelly Mann, die zweite Frau der Schriftstellers Heinrich Mann, einen weiten Bogen gemacht. Sie war, bedingt durch ihre Herkunft und ihre Arbeit als Animierdame, das schwarze Schaf der Familie Mann. Thomas Mann nannte sie eine „arge Hur“ und auch seine Frau Katia hatte kaum gute Wort für sie übrig. Durch ihre Arbeit an der Biografie Katia Manns, hat die Publizistin Kirsten Jüngling Interesse an dem Leben dieser unglücklichen Frau gewonnen, die 1944 den Freitod suchte. In ihrer Biografie versucht sie aus den wenigen überlieferten Fakten ihr Leben nachzuzeichnen.

Am 15. Februar 1898 wird Nelly unter dem Namen Emmy Johanna Westphal als uneheliche Tochter einer Dienstmagd in Ahrensbök in Holstein geboren. Der Vater ist unbekannt. Einige Jahre später heiratet die Mutter den Niendorfer Fischer Nicolaus Heinrich Kröger. Nelly wird nach Erreichen der Volljährigkeit seinen Namen annehmen. Die junge Frau geht nach Berlin, wo eine frühe Ehe mit Werner Schmidt nach kurzer Zeit scheitert. Mit 25 verdient sie ihren Lebensunterhalt als Animierdame in den Bars rund um den Kurfürstendamm. Dort traf sie einige Jahre später den in erster Ehe verheirateten Heinrich Mann, der dieses Milieu sehr reizvoll fand. Es gibt Indizien dafür, dass sie sich im Juni 1929 als Paar empfanden, aber erst 1932, Heinrich Mann war mehr als zwei Jahre geschieden, zogen sie zusammen. Sie folgt ihm ins Exil, erst nach Südfrankreich, wo sie 1939 heiraten, später nach Amerika. Schon in Frankreich nimmt ihr Alkohol- und Medikamentenkonsum zu: Nelly fühlt sich von Heinrich ungerecht behandelt. Zudem wird sie von vielen Emigranten ausgelacht, mit Häme übergossen. Mit der Flucht in die USA wird alles noch schlimmer, zumal die wirtschaftlichen Probleme zunehmen…

Kirsten Jünglings Biografie hat, auch wenn sie auf rekonstruierbaren Fakten beruht, stellenweise etwas von einem Roman – da wo sie das Umfeld und das Zeitgeschehen schildert, um die Buchstaben zum Leben zu erwecken. Sie zeichnet Nelly Mann nicht einfach als ordinäre Person und Trinkerin, sondern als eine unglückliche Frau, die nach Anerkennung und Liebe sucht und sie nicht in ausreichendem Maße erhält. Sie unterstützt Heinrich Mann nach Kräften und erhält doch lange kaum Dank von ihm dafür. Die Familie Mann akzeptiert sie nicht, die Emigranten machen sich über sie lustig. Mehr und mehr flüchtet sich Nelly Mann in Alkoholsucht und Medikamentenmißbrauch. Sie schämt sich dafür, versucht trotz allem ihre Würde zu bewahren. Lange braucht Heinrich Mann um zu verstehen, wie viel sie ihm bedeutet und um sich für sie einzusetzen. Als er es erkannt hat, sind die Weichen wohl schon längst gestellt: das Paar hat im amerikanischen Exil mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen und ist vom jüngeren und viel erfolgreicheren Bruder Thomas abhängig. Mit ihrem Buch legt die Publizistin eine lang fällige, angenehm geschriebene und teils spannende Biografie über das schwarze Schaf der Familie Mann vor.

Kirsten Jüngling: >>Ich bin doch nicht nur schlecht<<. Nelly Mann. Die Biografie, Propyläen 2008

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