Mehr Kohle als Milch

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Autor: S. Benedict-Rux
30. Januar 2017

Buch bei amazon ansehen / bestellenIn seinem 2000 als Hardcover veröffentlichten Roman „Milch und Kohle“ erzählt der im Ruhrgebiet aufgewachsene Ralf Rothmann von einer Familie zur Zeit der 1960er Jahre im Ruhrpott. Der Vater, von Beruf eigentlich Melker, ist seiner Frau zuliebe in die Stadt gezogen und arbeitet nun unter Tage anstatt unter freiem Himmel. Dieses Opfer bringt er, weil seine Frau Sehnsucht nach der Stadt hatte mit ihren  asphaltierten Straßen, Fernsehen und Tanzveranstaltungen, für die sie sich wöchentlich neue Kleider näht.

Zur Familie gehören zwei Söhne. Der ältere Simon ist fünfzehn und dann ist da noch Thomas genannt Traska, der ein neurologisches Anfallsleiden hat, das seiner Familie  unheimlich ist. Das Geld ist ständig knapp, auch wenn der Vater noch so schuftet muss häufig angeschrieben werden und der Umgang miteinander ist oft wenig liebevoll. Simons Fluchten aus der  familiären Tristesse gelingen ihm von Zeit mit seinem Freund Pavel, der aufbegehrt und das Leben seiner Eltern nicht wiederholen will.

Wir hatten ja auch gute Jahre

Der Roman setzt ein, als Simon nach der Beerdigung der Mutter in der Wohnung die Schränke leer räumt und auf seinen mittlerweile längst erwachsenen „kleinen“ Bruder wartet. Erinnerungen steigen auf an die Zeit der Pubertät, die Situation Zuhause und in seinem Freundeskreis.

Das besondere an den Romanen und Erzählungen Rothmanns ist seine Erzählweise. Feinfühlig und lakonisch zeigt er einerseits die Tristesse des Lebens der Arbeiterfamilien auf, der zum Beispiel die Mutter durch die Tanzabende und eine Affäre mit einem jüngeren italienischen Kollegen Gino ihres Mannes zu entfliehen sucht. Er lässt darin aber auch ans Beispielen die Größe der kleinen Leute aufscheinen, die das Leben anzunehmen versuchen wie es nun mal ist. Vieles spricht er nicht selber aus (beziehungsweise lässt es nicht Simon als Erzähler aussprechen), er führt stattdessen seine Leser dicht heran und lässt die Fragilität im Gezeigten aufscheinen.

Unausgesprochen bleibt beispielsweise auch, ob Pavel der Tote am Unfallwagen war oder ob er es tatsächlich war, der Simon in einem Zen-Kloster angesprochen hat. Oder ist auch da nur eine seiner Erinnerungen hochgeblubbt? Gerade der Epilog mag irritieren spannt den Bogen jedoch zurück, auch über Buch „Das Studium der Stille“, das der erwachsene Simon geschrieben und zu Beginn des Buches unausgepackt im elterlichen Schlafzimmer wiedergefunden hat.

Ralf Rothmann: Milch und Kohle, Roman. Taschenbuchausgabe suhrkamp taschenbuch 3309, Suhrkamp 2001
ISBN: 978-3-518-39809-8
D: 9,00 €   A: 9,30 €   CH: 13,50 sFr

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