Von einer die auszog ihre Ernährung zu ändern – „Anständig essen“

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Autor: S. Benedict-Rux
13. April 2011

Karen Duve: Anständig essen

Im Dezember 2009 beschließt die Schriftstellerin Karen Duve, angestoßen durch ihre sich überwiegend vegetarisch ernährende Mitbewohnerin Kerstin, ihre Ernährungsweise auf den Prüfstand zu stellen und auf moralischen Anspruch zu hinterfragen. Sie begnügt sich nicht damit theoretisches Wissen zu recherchieren, sondern beschließt, jeweils zwei Monate lang folgende Ernährungsformen auszuprobieren und sich parallel dazu auch mit den philosophischen und weltanschaulichen Hintergründen auseinander zu setzen: Biologisch-organisch, vegetarisch, vegan und schlußendlich frutarisch. Schon bald wird deutlich, dass sich ihr Leben nach diesem Selbstversuch grundlegend ändern wird. Wie weit ist anfangs nicht zu überblicken, aber auch der Leser merkt schnell, dass die Veränderung tiefer sein wird, als Duve es vor Beginn ihres Selbstversuchs vermutet haben dürfte.
So begleitet der Leser also die Autorin durch ihr Experiment, durch Diskussionen mit ihren Mitmenschen, bei nächtlichen Befreiungsaktionen, inneren Kämpfen, bei der Auseinandersetzung mit den weltanschaulichen Hintergründen und der Frage, inwiefern jeder als Konsument die Welt verändern kann.
Sowohl der Buchtitel als auch das Cover weisen auf wichtige Merkmale  des Buches: Die Autorin legt den Finger in die Wunde und zeigt, dass unser Umgang mit Tieren sehr widersprüchlich ist. Einerseits verhätscheln und vermenschlichen wir Haustiere, während  wir zum Beispiel gedankenlos hinnehmen, dass in großem Stil Tiere unter grauenvollen Bedingungen gehalten und geschlachtet werden, um unseren immensen Fleischkonsum zu unglaublich niedrigen Preisen zu ermöglichen. Dennoch gelingt es ihr dieses sehr ernste und schwerwiegende Problem humorvoll und ohne schulmeisterlich erhobenen Zeigefinger zu vermitteln. „ Anständig essen“, umgangssprachlich häufig genutzt im Zusammenhang mit  einer größeren Portion von  Lebensmitteln (bevorzugt deftige Hausmannskost), ist eben eher das Gegenteil von einem moralisch anständigen Umgang mit jenen Lebewesen, die der Mensch zu seiner Ernährung heranzieht.
An Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft gewinnt Karen Duves Buch nicht zuletzt auch durch die Authentizität mit der die Schriftstellerin die Schwierigkeiten schildert, die die Änderung ihrer Essens- und Lebensgewohnheiten mit sich bringt. Sie ist da durchaus schonungslos gegen sich selber, wenn sie nicht auslässt wie schwer es ihr fällt alte Gewohnheiten abzulegen, den inneren Schweinehund zu überwinden und nach moralisch besseren Alternativen zu suchen. Oder wie sie es von Zeit zu Zeit genießt, als zeitweise „moralisch Überlegenere“ ihrer Mitbewohnerin, die sie nach dem Gewissen der Holzpuppe Pinocchio in der Disneyfilm-Version, Jiminy Grille, benennt,  eins auszuwischen. Das macht die Autorin so menschlich und die Lektüre bisweilen trotz der traurigen und nachdenklich stimmenden Details (die Duve nicht unterschlägt) sehr unterhaltsam.
Es mag vielleicht auf den ersten Blick fragwürdig erscheinen, dass ein so ernstes Thema wie z.B. die Tierquälerei in der Massentierhaltung und die Folgen dieser Lebensweise für die Welternährungslage sowie das Klima von der Autorin mit einer ordentlichen Prise trockenen Humors präsentiert wird. Gleichwohl dürfte dies aber mit dafür verantwortlich sein, dass ihr in jeder Hinsicht empfehlenswertes Buch mehr Leser im doppelten Sinne erreichen dürfte, als dies mit einem rein neutralen Sachbuch wohl der Fall wäre.

Fazit: In jeder Hinsicht lesenswert! „Anständig essen“ war völlig verdient für den Preis der Leipziger Buchmesse 2011 in der Kategorie Sachbuch/Essayistik nominiert.

Im Anhang des Sachbuches befindet sich ein ausführliches Literaturverzeichnis und eine Liste mit Internetseiten, die sich mit der Thematik auseinandersetzen.

Karen Duve: Anständig essen. Ein Selbstversuch, Galiani Berlin 2011

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Hintergrund:

In den vergangenen Jahren ist die Problematisierung der Massentierhaltung stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung geraten. Einen nicht unerheblichen Anteil daran hatte sicherlich das Buch „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer, welches 2009 unter dem Titel „Eating Animals“ in den USA und 2010 in Deutschland erschien. Mehr als drei Jahre hatte Foer zum Thema Massentierhaltung recherchiert und die Problematik ausführlich beleuchtet. Sein Sachbuch wurde positiv aufgenommen und stand zeitweise in den Top Ten der deutschen Sachbuch-Charts.

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