Unsere Lebensweise ist nicht besonders nachhaltig, dies ahnen sicher sehr viele Verbraucher, doch was die Autoren des Sachbuchs “Wir konsumieren uns zu Tode“ über die Folgen unserer alltäglichen Konsumgewohnheiten berichten, ist in höchstem Grade alarmierend. Anhand eines durchschnittlichen deutschen Ehepaares, welches zum Abendessen Gäste eingeladen hat, deklinieren der Professor für Ressourcenstrategie an der Universität Augsburg, Armin Reller und die taz-Redakteurin Heike Holdinghausen die katastrophalen Folgen unserer gedankenlosen Ressourcenverschwendung auf allen Gebieten unseres modernen Lebens durch.
Unser Konsumverhalten hat einen enormen Ressourcen- und Landschaftsverbrauch zur Folge: Die niedrigen Lebensmittelpreise werden durch einen immensen Verbrauch an Boden Erdöl und Wasser ermöglicht. Gleichzeitig nimmt die Qualität der Lebensmittel ab:„Nur wenig sagt uns die Verpackung über das Lebensmittel vor uns im Regal, noch weniger über seine Inhaltsstoffe.“
Auch unser Hunger nach ständig neuen Textilien führt zum Raubbau an unseren Lebensgrundlagen: die billige Baumwolle mit ihrem von Natur aus hohen Wasserverbrauch, zum einem erheblichen Teil gentechnisch verändert und unter katastrophalen Arbeitsbedingungen hergestellt – nur damit wir noch ein T-Shirt, noch eine Hose mehr im Schrank haben. Oder die so beliebten Fleece-Pullover, hergestellt aus PET-Flaschen, welche exportiert, um dann verarbeitet und als Textilie wieder importiert zu werden.
Überhaupt ist der „Kunst-Stoff“ nicht nur bei seiner Herstellung durch den hohen Ressourcenverbrauch problematisch, sondern auch nach seinem Gebrauch: Riesige Mengen von Plastikmüll treiben in den Meeren, Mikroplastik findet sich nicht nur im Wasser, sondern in Bereichen unserer Umwelt, in denen wir sie nicht vermuten würden. So wurde ab Mitte November des vergangenen Jahres beispielsweise von der Entdeckung winziger Kunstoffpartikel in Honig in vielen Medien berichtet – um nur auf ein aktuelles Beispiel hinzuweisen.
Stoffgeschichten
Es sei notwendig, sich die Stoffgeschichten bewusst zu machen, folgern Reller und Holdinghausen – die Stoffgeschichte der Ressourcen, diejenigen der daraus hergestellten Güter und ebenso auch den weiteren Verlauf nach ihrer Nutzung zu betrachten: Wie ist ein Stoff entstanden, welche Mengen davon stehen uns zur Verfügung und wie können wir sie gewinnen? Gelangen die Stoffe nach ihrer Nutzung in die Biosphäre und, wenn ja, welche Folgen ergeben sich daraus? Werden die Wertstoffe dem Kreislauf zugeführt oder gehen die begrenzten Ressourcen danach unwiderbringlich verloren? „Bewusster Konsum erfordert Neugier, erfordert hartnäckiges, unbequemes Fragen“, schreiben die Autoren. Nur wenn wir uns die gesamte Stoffgeschichte der Güter und ihrer Bestandteile vor Augen halten, können wir im Ansatz ermessen, welche Folgen unser Konsum in ökologischer, sozialer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht hat und unser Handeln danach ausrichten.
Ein bedeutungsschweres und komplexes Thema also, das sich Reller und Holdinghausen da vorgenommen haben, welches sie jedoch in einer Weise zu transportieren verstehen, dass es auch für Laien gut lesbar und leicht verständlich ist. Sie schärfen das Bewusstsein dafür, dass die meisten alltäglichen Gegenstände die wir gedankenlos benutzen aus Bestandteilen bestehen, die unter hohem Energieverbrauch von überall aus der Welt zusammengetragen wurden, bei ihrer Herstellung wie später als Abfall oftmals ökologischen Schaden anrichten und nur so günstig von uns konsumiert werden können, weil andere in der einen oder anderen Weise dafür „zahlen“. Es ist ein Buch, das aufrüttelt und nachdenklich macht, eines dem man viele Leser wünscht!
Armin Reller / Heike Holdinghausen: Wir konsumieren uns zu Tode. Warum wir unseren Lebensstil ändern müssen, wenn wir überleben wollen. Westend Verlag, 3. komplett überarbeitete und aktualisierte Neuauflage 2013