„Scheiße fliegt durch die Luft, streift die Äste einer Linde, trifft das Dach eines vorbeifahrenden Busses, landet auf dem Strohhut einer jungen Frau, klatscht auf den Bürgersteig.“ Mit genau diesen Worten , die wahrscheinlich so manchen Leser von vornherein abschrecken werden, leitet Angelika Klüssendorf die Geschichte des jungen Mädchens ein. Sie lässt uns an dem Teil haben, was das Mädchen zwischen seinem 12. – 17. Lebensjahr alles über sich ergehen lassen muss.
Der Leser wird Zeuge einer traurigen und ausweglosen Welt, in der Gewalt, Verwahrlosung und Alkohol an der Tagesordnung sind. Die Handlung spielt in den 70er Jahren der DDR. Die dargestellten sozialen Probleme hätten aber auch vor jedem anderen geschichtlichen Hintergrund in Szene gesetzt werden können.
Die Situation des Mädchens, das keinen Namen hat, scheint ohne jeden Funken Hoffnung: von ihrem Vater hat sie zwar die Phantasie geerbt, aber sie sagt selbst über ihn, dass er zeichnen und schreiben kann und an einem Abend 30 Bierflaschen schafft. Die Mutter, eine launische Alkoholikerin, ist mit ihrem Leben ständig unzufrieden und lässt die daraus resultierende Wut an ihren Kindern aus. Alex, der jüngere Bruder hat am meisten unter den Wutausbrüchen zu leiden. Da er das ‚Lieblingskind‘ der Mutter ist, spielt sie gern ein Spiel mit ihm, bei dem er mit ausgetreckten Armen zwei Kissen vor seinen Körper halten muss. Seine Arme zittern. Sobald er schwächer wird, schlägt ihm die Mutter mit einem Ledergürtel zwischen die Beine. Das Mädchen ist oft dabei, wenn ihr Bruder auf diese Art und Weise gequält und gedemütigt wird. Sie liebt ihren Bruder, kann jedoch nicht begreifen, warum in aller Welt er sich nicht wehrt. Während sie durch das Erlebte immer stärker wird, geht ihr Bruder an der körperlichen und seelischen Gewalt zu Grunde.
Gern vertieft sich das Mädchen in die alten Kriminalgeschichten ihres Vaters und Brehms Tierleben. Literatur begleitet sie durch den gesamten Roman. In ihr findet sie Zuflucht. Außerdem liest sie den Graf von Monte Christo, später Hemingway, Zola und Balzac. Märchen lassen sie in andere Welten fliehen.
An manchen Stellen wirkt das Erzählte zu vorhersehbar und die Handlung zieht sich teilweise ins Endlose. Doch durch die einfache, aber klare Sprache schafft es der Leser trotzdem, in die Psyche des Mädchens einzutauchen, und verliert mit ihr nie die Hoffnung auf Liebe und Zuneigung.
Angelika Klüssendorf: Das Mädchen, Kiepenheuer & Witsch, 2011
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Ich fand das Buch spannend und bin auch der Meinung was muss so ein Kind manchmal ertragen. Wie kann man sein Kind schützen. Es ist so ein einmaliges kleines Wesen und braucht unsere Hilfe.