Auf der Suche nach der eigenen Identität

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Autor: Gastrezension
29. Februar 2012

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Es klingt wie Science-Fiction: Züchtung genialer Menschen aus dem Reagenzglas. Wollen Sie ein begabtes Kind haben? Man nehme Biomaterial eines Genies mit entsprechendem IQ, mische dies mit ‚guten’ Genen der potentiellen Mutter; Resultat: ein hochtalentierter Nachwuchs, ein fast idealer Mensch, fast ein Genie.
Was ist eigentlich ein idealer Mensch? Wo sind die Grenzen dessen, was Wissenschaft schafft und was der Mensch sich erlauben kann? Auf diese Fragen versucht Benedict Wells in dem Roman „Fast genial“ einzugehen und, basierend auf einer wahren wissenschaftlichen Versuchsreihe von ‚Geniezüchtungexperimenten‛ aus den achtzigen Jahren,  eine kurzweilige Story zu schreiben.
„Fast genial“ ist die Geschichte des knapp achtzehnjährigen Francis Dean, der mit seiner psychisch labilen  Mutter in einem Trailerpark in Claymont (New Jersey) lebt. Francis scheint in allen Bereichen des Lebens zu scheitern: Probleme in der Schule, Geldnot, und schließlich muss seine Mutter wieder ins Krankenhaus. Bis er eines Tages erfährt, dass sein Vater kein Versager, sondern ein Genie aus Harvard ist! Mit jeder Faser seiner Seele will der Protagonist seinen biologischen Vater finden. Wenn er ihn nur einmal ansieht, nur einmal anspricht, wird sich ganzes Leben ändern. Es muss, es  soll sich ändern! Unbewusst und spontan trifft er eine bedeutende Entscheidung: Francis macht sich mit seinem besten Freund und dem Mädchen seines Herzens auf den Weg ins Ungewisse…
Wird er aus diesem Lebensspiel stark und abgehärtet vorgehen, oder wird er in Alltäglichkeit versinken? Ja oder nein, Sein oder Nichtsein, schwarz oder weiß sind die philosophischen Fragen, mit denen die Hauptfigur des Romans sich immer wieder auseinandersetzen muss.
Wells‘ Buch ist in Jugendsprache geschrieben. „Fast genial“ liest sich einfach und ist unterhaltsam. Freilich empfindet man die Ausdrucksweise des Autors bisweilen als zu hölzern, die Geschichte kommt nur langsam in Fahrt und wird erst im späteren Verlauf  aufregend und wirbelnd präsentiert. Selbst zu den wichtigen moralischen Fragen bezieht der Autor keine eindeutige Stellung.
Verblüffend auf den Leser wirkt die Naivität von Francis, der sich ohne nachzudenken in den gefährlichen Strudel des Lebens stürzt; er erleidet zahlreiche Rückschläge, zieht daraus aber keine Lehre und stürzt, mit noch stärkerem Eigensinn, in dieselbe Tiefe. Er stellt sein ganzes Leben auf Zufall ab und lässt sich von diesem Zufall regieren; er schafft es nicht, seine Zukunft in die Hand zu nehmen. Bis zum Ende  quält der Protagonist sich mit Selbstzweifeln und Wechselbädern zwischen Hoffnung und Enttäuschung, seine ganzen Probleme werden allerdings nicht gelöst, das Ende bleibt offen und der Leser damit unbefriedigt…

Benedict Wells: Fast genial. Roman, Diogenes 2011

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