„Murus“ – die geteilte Stadt

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Autor: S. Benedict-Rux
17. November 2008

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Eine Stadt im Jahr 2371. Vor 353 Jahren wurde die große Mauer erbaut, die, so heißt es, die Bewohner von Murus davor beschützt, ins Nicht zu fallen. Jojo ist 14 Jahre alt und lebt in ärmlichen Verhältnissen bei seinen Zieheltern in der Nähe der Mauer. Viele Menschen in der Stadt leben in den unteren Stockwerken halbverfallener Häuser und sind damit beschäftigt ihr Überleben zu sichern. Zusätzlich machen ihnen Jugendbanden die sie überfallen und ausrauben, das Leben schwer. Es scheint, dass diese immer zahlreicher werden. Nur auf der gelben Insel gibt es ein paar wohlhabende Bewohner, zum Beispiel den Kaufmann Omar Musalla.

Eines Nachts hört Jojo unten auf der Straße Geräusche und findet dort ein seltsam aussehendes Mädchen. Obwohl Sie kaum genug für sich haben, nimmt Jojos Ziehmutter Agathe sie auf. Die Fremde ist verletzt, hat einen kahlrasierten Kopf und schläft viel. Da sie sich an nahezu nichts erinnern kann, geben Sie ihr einen neuen Namen – Lotte. Jojo glaubt schon länger nicht mehr so recht an das Märchen vom Nichts jenseits der Mauer. Und die Erinnerungsfetzten die manchmal aus Lotte herausbrechen, hören sich an als sei sie aus einer vollkommen anderen Welt. Lotte ist bestimmt von drüben, denkt er. Bald taucht ein weiterer Fremder auf, der einen Jungen und ein Mädchen sucht. Etwa zur gleichen Zeit macht der reiche Kaufmann Omar Musalla Jojo überraschend das verlockende Angebot ihn kostenlos in seinem Haus ausbilden zu lassen und Jojo findet eine kleine goldene Kapsel, die wohl Lotte gehören muss. Und dann entstehen plötzlich an verschiedenen Orten von Murus neue Mauern…

Martina Wildner hat eine spannende Anti-Utopie mit gesellschaftskritischen Tönen geschrieben. Natürlich ist hinter der Mauer nicht das Nichts, sondern ein materiell wesentlich besser gestellter Teil dieser Zukunftsgesellschaft. Einige Leute profitieren enorm von der Trennung durch die Mauer und haben Interesse daran, die Teilung  mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten. Dazu gehört auch die  Schwarze Patrouille – offiziell nur dazu da sicherzustellen, dass die Mauer wo nötig instand gehalten und ausgebessert wird. Inoffiziell gehen ihre Aufgaben deutlich weiter, denn sie „entsorgt“ unliebsame Bewohner der wohlhabenden Seite auf der armen Seite, wo diese sich dann nicht mehr an ihr früheres Leben erinnern. Darunter sind auch etliche, die durch kritische Fragen aufgefallen waren.

Murus ist zwar spannend geschrieben und erinnert in Teilen an einen Thriller für Jugendliche, ist aber weniger eine Lektüre für Leser die reine actionreiche Spannung suchen. Lotte und Jojo machen Entdeckungen, die dazu geeignet sind zum Nachdenken anzuregen. Schon die „Muralistik“, eine Wissenschaft vom Sein und Sinn von Mauern der verschiedensten Art, die im privilegierten Teil gelehrt wird, bietet Raum für philosophische und ethische Fragestellungen. Bezüge zu unserer Welt (die dort natürlich als tiefe Vergangenheit erscheint) laden dazu ein, über die Mauern die auch heute (real wie in den Köpfen der Menschen) vorhanden sind nachzudenken. Das neue Jugendbuch von Martina Wildner ist bis zum offenen und befremdenden Ende von hohem Anspruch!

Martina Wildner: Murus. Bloomsbury Kinderbücher und Jugendbücher, 2008, ab 12

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Zur Autorin: Martina Wildner wurde 1968 im Allgäu geboren. Sie studierte zunächst einige Semester Islamwissenschaften und anschließend Grafikdesign. Für ihr 2003 erschienens Buch Jede Menge Sternschnuppen (Beltz & Gelberg) hat sie den renommierten Peter-Härtling-Preis erhalten.

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