Im Zeichen des Widerstands

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Autor: Gastrezension
6. Oktober 2016

Wie drei Graphic Novels das Leben in Diktaturen beschreiben

Buch bei amazon ansehen / bestellenVon August Werner

Für die Kämpfer der 35. Brigade

Vom Leben und Sterben junger Widerstandskämpfer im Toulouse der 1940er Jahre erzählt Kinder der Hoffnung. Der bedingungslose Kampf dieser jungen Menschen ist bis heute ein mahnendes Beispiel. Ihr eigenes Leben opfernd, kämpften Sie für ein besseres Leben der folgenden Generationen. Marc Levy, der Sohn einer dieser Kämpfer in der Résistance, hat ihnen bereits in einem Roman ein Denkmal gesetzt. Nun wurde dieser von Alain Gran in eine Graphic Novel übertragen.

Weil Kinder per se weniger verdächtig waren, wurden Sie zur Geheimwaffe des Widerstands im besetzten Frankreich. Unzählige wurden von der Gestapo verhaftet, gefoltert und hingerichtet. Levys Bericht würdigt den Einsatz dieser Mädchen und Jungen, die überwiegend aus Emigrantenfamilien stammten. Nach dem 1. Weltkrieg waren sie mit ihren Eltern nach Frankreich gekommen und standen nun ihren neuen Landsleuten im Kampf gegen die Besatzer bedingungslos bei. Im Angesicht des Todes riefen sie mit ausländischem Akzent „Es lebe Frankreich!“. Ein anrührendes Stück Erinnerungskultur, dessen umfangreicher Anhang den Bilderroman mit persönlichen Dokumenten, Briefen und Zeitzeugenberichten optimal ergänzt. Vor allem für junge Leser eine gute Möglichkeit, etwas über dieses dunkle Kapitel der europäischen Geschichte zu erfahren und gleichzeitig reale Identifikationsfiguren im Comic-Format zu finden.

Marc Levy, Alain Grand: Kinder der Hoffnung. Panini 2015. 180 Seiten. [D]19,99 Euro.

Lauf, Emil, lauf!

Buch bei amazon ansehen / bestellenDer durch seine Geschichten um den kauzigen Bahnwärter Alois Nebel bekannte Jaromir „99“ Svejdik hat zusammen mit Jan Novák dem legendären Sportler Emil Zátopek eine gelungene Würdigung zuteil werden lassen. Der 1922 in der Tschechoslowakei geborene Langstreckenläufer steigt in den 1940er Jahren zum internationalen Sportstar auf und legt sich in seiner Heimat mit dem kommunistischen Regime an. Ohne übertriebenes Pathos und klischeehafte Darstellungen erzählen die beiden Autoren vom Alltag in dir Zeit zahlreicher Umbrüche der Kriegs- und Nachkriegsjahre.

Angefangen von der Ersten Tschechoslowakischen Republik über das Protektorat Böhmen und Mähren unter deutscher Besatzung bis hin zur kommunistischen Tschechoslowakei. In vier kräftigen Farben erzählt die Bild-Novelle von einem Mann mit eisernem Willen und Disziplin, aber auch Witz und Renitenz. Es ist eine Zeit, in der die Ohnmacht einzelner angesichts eines alles kontrollierenden Staatsapparates groß war und in der Menschen sich dennoch mutig für andere eingesetzt haben. Einer davon war Emil Zátopek, der durch seine Popularität zu einem Vorbild des „stummen Widerstands“ wurde. Ein sehr persönliches und ehrliches Porträt einer großen Sportlegende.

Jan Novák, Jaromir 99: Zátopek. Voland & Quist 2016. 208 Seiten. [D]24,90 Euro.

Die Geschichte einer starken Frau

Buch bei amazon ansehen / bestellenChile, 11. September 1973: Durch einen Militärputsch wird der gewählte Präsident Salvador Allende gestürzt und Augusto Pinochet als alleiniger Machthaber eingesetzt. In der Folge werden zahlreiche Intellektuelle, Journalisten und andere Systemfeinde inhaftiert, gefoltert und ermordet. Die damals schwangere Carmen Castillo überlebte die brutalen Repressionen und konnte ins Exil fliehen. Ihre tragische Geschichte erzählt nun ein auf historische Genauigkeit und eine realitätsnahe Sprache bedachter Großformat-Band. In geradlinigen Federzeichnungen wird ungeschönt der Alltag in der Diktatur geschildert, wo Menschen aus ihrem Wohnzimmer in Folterkeller verschleppt werden, von denen nur wenige durch bewaffnete Widerstandskämpfer befreit werden können. Zumeist hat man nie wieder von ihnen gehört.

In einem Interview mit der heute als Dokumentarfilmerin in Frankreich lebenden Castillo werden zudem die historischen Hintergründe ihrer Geschichte erläutert. Was in Chile damals passierte, war nicht nur eine nationale Tragödie. Die Verwicklung der CIA  in den gewaltsamen Machtwechsel wirft bis heute einen dunklen Schatten auf die sogenannten westlichen Werte. Keine leichte Comic-Kost, sondern eine Geschichtslektion, die den brutalen Putsch gegen eine demokratisch gewählte Regierung unverblümt in ihren schrecklichen Auswirkungen zeigt.

Maximilien Le Roy, Loic Locatelli Kournwsky: ÜBERLEBT! Chile 1973. Edition Moderne 2016. 128 Seiten. [D]26 Euro.

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