Lust auf Hähnchenkeulen, Dorsch mit Senfsauce, ein Kraftbrot?
Oder: der Appetit kommt mit dem Lesen
Liebe, Hass und Mord im Norden? Wohl eher letzteres. Wer aber einen Krimi voller blutiger Todesfälle erwartet, der ist auf der falschen Fährte. Vielmehr bekommt man Hunger beim Lesen, da sich Lykk sehr liebevoll in seinem bereits vierten „Toten“-Krimi dem Thema Essen zuwendet.
Den Leser erwartet kein langer Vorspann, er wird gleich zu Beginn mit einem Leichenfund in der Schleuse konfrontiert.Kommissar Malbek, die Hauptfigur, wird auf den Fall angesetzt.
Die Erzählung ist schon lecker. Die erste Leiche, Markus Peters, „ist von den Mitreisenden gefressen worden“. Malbek sucht Antworten bei Peters‘ Freundin Dörte und Axel Molsen, dem Besitzer der Reederei, wo Peters Azubi war. Auf einer Party in Sylt lernt Malbek Regina Molsen, die Tochter des Reeders, kennen. Währenddessen wird Frank Bönig, der in undurchsichtige Geschäfte verwickelt ist, zu Hause von seiner Frau tot aufgefunden, und gegen Ende der Erzählung steht dann noch Axel auf dem Abschiedsmenü.
Zwischendurch hat Kommissar Malbek immer wieder Hunger auf gebratene Hähnchen oder, wie gesagt, auf Dorsch oder ein Kraftbrot. Seine dänischen Kekse besänftigen Kriminalrat Schackhaven und etliche Szenen spielen in einem Restaurant. Der Pralinenkasten, von dem die ganze Zeit die Rede ist, entpuppt sich im Finale als eine einschüssige Feuerzeugattrappe russischer Bauart.
Der Buchrücken suggeriert „stimmungsvolle Ostseeküstenromantik verbunden mit hochspannender Action“. Es ist nicht für jedermann romantisch, dass Regina Malbeks Nase per Ohrfeige demoliert und anschließend, nach einem anregenden Austerngenuss, mit ihm schläft. Man verspricht sich beim Lesen des Krimis tatsächlich viel, wird am Ende aber enttäuscht, denn Action verspüren wir lediglich bis zu dem Moment der Handlung, an dem zwei von den drei Morden von einer Frau begangen wurden, die nur deswegen tötet, weil sie mit ihrem Leben bzw. mit den Männern in ihrem Leben unzufrieden ist. Der Leser fühlt sich hintergangen. Nicht das angekündigte „Gespinst aus Wut, Verzweiflung und Gewalt“, eher die Gewalttat einer ungeliebten Frau.
Das Buch liest sich schnell und leicht dank der Einteilung der Kapitel. Der Leser befindet sich in jedem neuen Abschnitt in einer anderen Situation und an einem anderen Ort. Alles wird kurz und knapp skizziert und die Erzählung wird fast nie unnötig in die Länge gezogen. Ausgenommen ein paar Kapitel, die zum Beispiel von Malbeks verstorbenem Vater, dem Dompastor, berichten.
Über Frauen macht Malbek typisch männliche Bemerkungen: das Madamchen ist hübsch, Kommisarin Hoyer sieht ausgesprochen gut aus, Rita, die Schwester seines guten Freundes Kommissar Lüthje, schaut wiederum verdammt gut aus und Regina Molsen starrt er auf den Busen. Doch über seine eigene Freundin Jette findet sich kein Kommentar.
Der Leser kann mit Kommissar Malbek mitdenken, sich alles bildlich vorstellen und sogar mitriechen, denn auch auf diese Sinneseindrücke wird detailliert eingegangen. Die Personenkonstellation ist ebenso überschaubar.
Alles in allem ist dieser Kriminalroman als Lektüre für den Urlaub oder zur Verkürzung langen Wartens beim Arztbesuch geeignet. Man sollte jedoch unbedingt etwas zu essen dabei haben, da es nahe liegt, dass man bei der Lektüre dieses Buches richtig Appetit bekommt.
Dietmar Lykk: Totenschleuse. Küsten Krimi. Hermann-Josef Emons Verlag, 2011
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