Am 5. Oktober 2011 verstarb Steve Jobs, Apple-Mitbegründer und einer der prominentesten Vertreter der Computerindustrie – ein Treibender, der seinen Mitarbeitern stets mehr abverlangte als möglich zu sein schien, aber auch ein Getriebener. Wer war Steve Jobs? Was trieb ihn an? Eine Annäherung an diese charismatische Persönlichkeit versucht Walter Isaacson in seiner Biografie, der einzigen, die je von Jobs autorisiert wurde und für dessen englische Originalausgabe dieser (darin nochmal ganz er selbst) sogar noch den Buchumschlag entworfen hat.
Biografie als erzähltes Leben
Eine Biografie bewegt sich immer in dem Spannungsfeld, einerseits das Leben einer Person möglichst sachlich und wahrheitsgetreu abzubilden und andererseits, der allzu menschlichen Tendenz, rückblickend das eigene oder fremde Leben als ein Gebilde zu (v)erklären in dem das meiste doch folgerichtig sich auseinander entwickelt hat, gleichsam wie auf ein Ziel hin. Aus dem Gelebten wird allzu leicht im erzählen eine Geschichte. Isaacson versucht dies zu minimieren, indem er neben Steve Jobs selber, weit über 100 Menschen aus seinem näheren und weiteren Umfeld befragt hat: Familie, Freunde und Kollegen, aber auch Rivalen und andere Zeitgenossen, die nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten. Auf diese Weise hat er facettenreiches Material für sein Buch zusammengetragen und dokumentiert auch in den Anmerkungen, auf welche Quellen er die Aussagen in den jeweiligen Kapiteln stützt.
In den ersten Kapiteln werden die Herkunft und Kindheit vergleichsweise ausführlich dargestellt. Am 24. Februar 1955 als uneheliches Kind einer deutschstämmigen Amerikanerin und eines Syrers geboren, wurde Jobs bald nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Sein Adoptivvater Paul Jobs wird, so wirkt es, prägend auf einige Züge des Mannes wirken der zur Ikone der Innovation werden sollte.
Den größten Raum im Buch nehmen natürlich die ganzen bewegten Jahre bei Apple, seiner Firma NeXT, und bei Pixar ein. Immer wieder zeichnet der Autor beispielhaft nach, wie Jobs durch seinen Wunsch nach allumfassender Perfektion einerseits, seinem Kontrollbedürfnis andererseits sowie der Neigung zur Realitätsverzerrung, die ihn von seinen Mitarbeitern das schier Unmögliche erwarten lässt, mal erfolgreich unerhört Neues entstehen lässt, aber auch mal scheitert . Seine Verdrängung der Realität und das Ausblenden dessen, was er nicht wissen will scheinen ihm denn auch im Zusammenhang mit seiner Krebserkrankung wohl zum Verhängnis geworden sein.
„Ich weiß, dass in deinem Buch eine Menge Dinge stehen werden, die ich nicht mögen werde.“
Jobs, so berichtet sein Biograph, hat in den zwei Jahren der Recherchearbeit Isaacsons weder Fragen zum Inhalt des Buches gestellt noch Einfluss darauf ausgeübt. Da er mit vielen Menschen allein durch sein unausgeglichenes Temperament und seine verletzende Art aneinander geriet konnte er sich denken, dass sich einige dementsprechend negativ äußern würden. In der Tat ist es so, dass die Biografie auch diese negativen Aspekte von Jobs Persönlichkeit, seine Wutanfälle, seine rigorose Einteilung in Schwarz und Weiß und anderes mehr immer wieder thematisiert. Dennoch wirkt es so, als sei der Autor nach und nach der Faszination von Steve Jobs erlegen – er schreibt durchgängig wohlwollend, äußert Verständnis für negative Verhaltensmuster (Künstlertemperament) und wird nicht müde, immer und immer wieder die Genialität von Jobs Ansatz und die mangelnde Qualität seiner Konkurrenten zu wiederholen.
Zweifellos haben Apple und Steve Jobs nicht nur den Computermarkt für private Nutzer in vielerlei Hinsicht revolutioniert (vieles das wir heute für selbstverständlich halten hat hier seine Wurzeln), sondern auch zur Weiterentwicklung der Musikindustrie und der mobilen Kommunikation erheblich beigetragen. Jobs, heißt es in der Biografie, habe den Wunsch gehabt Apple zu einer Firma zu machen, die nicht nur eine zum Geldverdienen ist, sondern eine die dauerhaft und aus Überzeugung Innovationen hervorbringt.
Vor kurzem hat Apple das iPhone 5 auf den Markt gebracht – was Jobs so davon gehalten hätte? Es steht mir nicht zu über das neue iPhone zu urteilen, aber wenn man Isaacson glauben will, dann wäre Steve Jobs wohl rein aus Prinzip nicht zufrieden gewesen und hätte von den Mitarbeitern bei Apple gefordert noch zwei Schritte weiter zu denken und perfekter zu sein.
Fazit: Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass die Biographie für Apple-Fans ein Muss ist. Aber man muss kein Apple-Fan sein, um an diesem Buch eine interessante Lektüre zu haben: ein wenig Grundwissen und Interesse an Technik reichen. Sie ist überwiegend kurzweilig geschrieben, bietet Einblick in eine faszinierende Persönlichkeit und vermittelt ganz nebenbei einen Abriss über interessante Entwicklungen der letzten Jahrzehnte.
Walter Isaacson: Steve Jobs. Die autorisierte Biographie des Apple-Gründers. Aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Antoinette Gittinger, Oliver Grasmück, Dagmar Mallett, Elfi Martin, Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck, C. Bertelsmann 2o11
Hallo,
vielen Dank für diesen guten Beitrag über Steve Jobs. Ich fand es interessant wie Du den Artikel gegliedert und aufgebaut hast. Ich habe in den letzten Tagen auch eine kleine Biografie über Steve Jobs verfasst und auf meinem Blog veröffentlicht.
Liebe Grüße, Stefan
Besten Dank für das nette Feedback und den Hinweis!/red