Anläßlich des 70. Geburtstages von Rupert Neudeck am 14. Mai 2009 ist im Knaur Taschenbuch Verlag eine Neuauflage der 2007 als Hardcover erschienen Erinnerungen des engagierten Journalisten aufgelegt worden. Im Jahr 1979 gründete dieser mit der Unterstützung Heinrich Bölls das deutsche Komitee „Ein Schiff für Vietnam“, um die sogenannten „boat people“ aus dem Chinesischen Meer zu retten. Am 9. August 1979 lichtete die „Cap Anamur“ die Anker. Es gelang, Tausende von Flüchtlingen vor dem sicheren Tod zu retten und die Öffentlichkeit auf das Flüchtlingsproblem aufmerksam zu machen.
30 Jahre Cap Anamur – heute sind es vielfach afrikanische Bootsflüchtlinge die elend auf dem Meer treiben. Im Sommer 2004 rettete die „Cap Anamur“ 37 Afrikaner vor der italienischen Küste aus Seenot. Für diese humanitäre Aktion stehen Kapitän Stefan Schmidt, der damalige Vorsitzende des Hilfskomitees „Cap Anamur“ Elias Bierdel sowie der 1. Offizier auf dem Schiff, Vladimir Daschkewitsch derzeit in Italien vor Gericht.
Rupert Neudeck hat sein Engagement zwischenzeitlich verlagert. Seit 2003 baut er mit den Grünhelmen zerstörte Dörfer wieder auf, versucht mit dem Bau von Schulen, Hospitälern und vielem mehr die Lebensbedingungen der Menschen in Krisengebieten zu verbessern und so einem friedlichen Miteinander den Boden zu bereiten.
„Abenteuer Menschlichkeit. Mein Leben für eine gerechtere Welt“ lautet der Titel die Biografie und richtet den Fokus folgerichtig vorwiegend auf seine Erlebnisse bei seinen vielfältigen humanitären Aktionen in allen Teilen der Welt. Aber natürlich erfährt der Leser auch etwas über das Kind Rupert, das noch den Hunger kennengelernt hat und den Jugendlichen, der durch den Aufstand in Ungarn 1956 sehr berührt war. Der Sommer 1957 kann vielleicht als eine wichtige prägende Erfahrung gelten. Rupert Neudeck nahm an einer Ferienfreizeit des sogenannten „Bauordens“ teil und half mit, Häuser für Flüchtlinge und Vertriebene aufzubauen. Er schloß sich für einige Jahre den Jesuiten an, bis seine Neigung es mit der Askese zu übertreiben seine Gesundheit stark schädigte. Nach seiner Geneseung beschloß er, seinen Glauben auf eine andere Weise auszuleben. Der Christ Neudeck wurde zum engagierten Menschenrechtler, der mit Haut und Haaren für seine Ideale lebt.
Afghanistan, Afrika, der Balkan, Tschetschenien, Israel und Palästina. Journalist Neudeck wirft Schlaglichter auf die Krisenregionen, in denen er sich engagiert hat und zum Teil noch heute tätig ist. Neudeck schildert die Zustände die sie dort vorgefunden haben, die Ursachen die ihnen zugrunde liegen. Er prangert das Versagen der Politik und das Verhalten der Weltgemeinschaft an. Neudeck spart nicht mit Medienkritik, auch wenn ihm bewusst ist, dass auch er immer wieder die Hilfe der Medien zur Erreichung seiner Ziele benötigte und nutzte. Indem er über die Menschen erzählt, denen er begegnet ist, transportiert er seine Botschaft, das was ihm wichtig ist: Entwicklungshilfe muss nicht so viel kosten. Bildung und der Bau von Schulen, Hospitäler und Ambulanzen können auf eine effektivere und kostengünstigere Weise Konflikte lösen helfen, als es viele Entwicklungshilfeprojekte anderer Organisationen und die Einsätze mancher Institutionen tun.
Raum gibt Neudeck in seinem Buch auch den Denkern und Philosophen die ihn geprägt haben, Jean Paul Satre und Albert Camus etwa. In ihrer Charakterisierung durch den Autor schimmert viel von dem Selbstverständnis des Humanisten Neudeck durch. Schön sind auch die Gesten mit denen Neudeck früherer Weggefährten gedenkt. Prominente wie Heinrich Böll und Norbert Blüm sind ebenso darunter, wie unbekannte und „einfache“ Menschen, die er schätzen lernte.
Die Lebenserinnerungen sind in verständlicher Sprache und bei aller Ernsthaftigkeit der Thematik unterhaltsam geschrieben. Das Buch ist für all diejenigen ein Gewinn, die sich für die Thematik und den Menschen Rupert Neudeck interessieren.
Rupert Neudeck: Abenteuer Menschlichkeit. Mein Leben für eine gerechtere Welt. Knaur Taschenbuch Verlag 2009
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Hintergrund:
1979 gründete Rupert Neudeck mit Unterstützung von Heinrich Böll das deutsche Komitee „Ein Schiff für Vietnam“. Ziel war es, den vietnamesischen Flüchtlingen die zu Tausenden auf überladenen Schiffen auf dem Chinesischen Meer trieben zu helfen.1982 ging aus dem Komitee Cap Anamur / Deutsche Notärzte hervor.
2003 wird Rupert Neudeck Mitbegründer und Vorsitzender des internationalen Friedenskorps Grünhelme. Die Grünhelme sind eine überkonfessionelle Hilfsorganisation die in Krisenregionen Dörfer wieder aufbaut, Schulen und Hospitäler errichtet.
2004 Die „Cap Anamur“ rettet im Mittelmeer 37 Afrikaner, die bei Ihrer Flucht im Schlauchboot in Seenot geraten waren. Nach mehrwöchiger Blockade erteilten die italienischen Behörden der Cap Anamur die Einlaufgenehmigung in einen sizilianischen Hafen. Das Vorgehen der Crew wird von verschiedenen Seiten kritisiert, auch von Cap Anamur-Gründer Neudeck.
2006 Im November wird der Prozeß gegen Kapitän Stefan Schmidt, den damaligen Vorsitzenden des Hilfskomitees “Cap Anamur” Elias Bierdel sowie den 1. Offizier auf dem Schiff, Vladimir Daschkewitsch wegen bandenmäßiger Beihilfe zur illegalen Einreise in besonders schweren Fall eröffnet. Das Urteil wird für den 7. Oktober 2009 erwartet.
2009 Am 13. Dezember erhält der Kapitän Stefan Schmidt die Carl-von Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Mit der Auszeichnung würdigt die Liga die „außerordentliche Zivilcourage“ und den „Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte“, den Schmidt mit seiner Rettungsaktion geleistet habe.
Weiterführende Links:
www.ilmr.de/2009/07/17/verleihung-der-carl-von-ossietzky-medaille-2009/