Künstlerkolonie Worpswede: „Konzert ohne Dichter“

*Dieser Beitrag enthält einen oder mehrere Affiliate Links. Kommt über einen solchen Link ein Kauf zustande, erhält der Betreiber des Literaturblogs eine Provision.
Autor: S. Benedict-Rux
25. Juni 2018

Buch bei amazon ansehen / bestellenEine Momentaufnahme in der Künstlerkolonie Worpswede: Heinrich Vogeler, dessen Barkenhoff den Mittelpunkt der Künstlerkolonie bildet, ist auf der Höhe seines Erfolges. Es ist 1905, sein Meisterwerk „Das Konzert oder Sommerabend auf dem Barkenhoff“ wird gefeiert und soll in wenigen Tagen mit der Goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet werden. Für den Künstler jedoch ist das Gemälde Sinnbild eines Scheiterns in mehrfacher Beziehung. Als er fünf Jahre früher das Bild begonnen hatte, wollte er die wunderbare Stimmung auf seinem im Jugendstil umgebauten Barkenhoff malen. Die harmonischen lauen Sommerabende im Kreise der erweiterten „Familie“, gemeinsam mit seinem Seelenverwandten Rilke und den beiden Frauen die dieser liebt, Clara Westhoff und Paula Becker, die später Otto Modersohn heiraten sollte. In Konzert ohne Dichter begleitet Klaus Modik seinen Heinrich Vogeler die drei Tage vor der Auszeichnung seines berühmten Gemäldes und lässt ihn zurückblicken auf die letzten Jahre.

Der Künstler in der Krise

Modick beschreibt Heinrich Vogeler als Künstler in der Krise: die Liebe zu seiner Frau Martha ist am erlöschen. Sie, die er gleichsam wie den Barkenhoff nach seinen Vorstellungen zu formen suchte hat sich durch die Schwangerschaften verändert, hat das Mädchenhafte verloren. Starke künstlerische Selbstzweifel suchen Vogeler heim, er fühlt sich eingeklemmt in einen goldenen Käfig, den er sich selber geschaffen hat. Und als wäre dies nicht genug, ist auch die Künstlergemeinschaft nicht mehr das, was sie in den Anfangsjahren war. Irgendwann sind Gleichklang und Harmonie verloren gegangen, übrig ist nur noch eine äußere Hülle, die aufrecht erhalten wird, aber ohne Sinn ist. Das betrifft auch das Verhältnis zum einstigen Seelenverwandten Rainer Maria Rilke.

Rilke als pathetischer Egoman

Es ist ein höchst problematischer Rilke den Modik in Konzert ohne Dichter erzählt: ein in hohem Maße auf sich selbstbezogener Dichter ist da zu erleben, der sehr von sich überzeugt zu sein scheint. Viele Frauen hängen ihm an den Lippen, auch die Künstlerinnen und Freundinnen Clara Westhoff und Paula Becker. Anderen ist er mit seinem mystischen Raunen einfach nur unheimlich. Er scheint in beide verliebt zu sein und wird Clara heiraten, die unter seinem Einfluß ihre Heiterkeit einbüßt. Scheinen sich Rilke und Vogeler anfangs als Seelenverwandte zu erkennen so hat sich ihr Verhältnis zueinander allzu schnell verwandelt. Die Freundschaft scheint nur noch eine leere Hülle zu sein. Der an chronischem Geldmangel leidende Rilke scheint sie nur aufrecht zu erhalten, um Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Vogeler leidet darunter und macht die Maskerade trotzdem mit. Nur aus dem besagten Bild tilgt er Rilke, der ursprünglich zwischen den beiden Frauen saß.

Roman oder Fiktion?

Wir wissen natürlich nicht, wie es wirklich wahr. Modick stützt sich zwar auf Werke und Aufzeichnungen von Rilke und Vogeler. Wie er zu recht bemerkt, könnten diese aber schon künstlerisch überformt sein, um dem Selbstbild zu genügen. Doch ja, es könnte so oder so ähnlich gewesen sein. Es ist ein lebendiges Bild der Künstlerkolonie in Worpswede, das Modick da zeichnet. Es wirkt in sich stimmig und ist interessant wie kurzweilig zu lesen.

Klaus Modick: Konzert ohne Dichter. Roman. Kiepenheuer & Witsch 2015
ISBN 978-3-462-04741-7
Gebundene Ausgabe [D] 17,99 €

Der Roman ist auch als Taschenbuch (ISBN 978-3-462-04990-9, [D] 9,99€) erhältlich.

Subscribe
Benachrichtige mich zu:
0 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen
Unsere twitter-Timeline (Literatur Blog) RSS Feed vom Literatur Blog