Was im Kopf eines Psychologen vorgeht – hinter der Fassade seiner analytischen Vorgehensweise – davon wird im Erstlingswerk von Noam Shpancer „Der gute Psychologe“ erzählt.
Der Leser wird eingeladen, einer Begegnung des namenlosen Psychologen mit seiner „Vier-Uhr-Klientin“ zu folgen und mit Freude und Sorge den Heilungsverlauf der Ängste der Stripperin mitzuerleben. Gleichzeitig aber liest man von Nina, der Geliebten des Psychologen und Mutter seiner Tochter Billie, die in sicherer Distanz zu ihm und seinem Leben steht. Nur durch Telefongespräche über zum Teil vorgetäuscht Fachliches schleicht er sich in ihren Alltag. Bissige Dialoge der Beiden reizen zum Schmunzeln.
In den 48 sehr knappen Kapiteln wird aus der Beobachterperspektive gezeigt, was einen guten Psychologen ausmacht – nicht zuletzt durch einen Wechsel zwischen Psychologieseminaren, in denen dem Leser Theorien der Therapie nahe gebracht werden und dem Dazwischen, dem emotionalen Leben des Protagonisten. Das ist das Essentielle, das Kennzeichnende an diesem Roman, der zugleich lehrreich und lebensbestätigend ist. Keine leichte Groschenlektüre für nebenbei, sondern eine mit echtem Tiefgang. Mit einer Flut an belustigenden und berauschenden Metaphern beweist der Autor seine sprachliche Kompetenz. Hervorzuheben sind die mit beschwingter Leichtigkeit gewählten Beschreibungen von Personen, Situationen und Geräuschen in einer wunderbar fließenden kunstvollen Sprache: So kommt etwa an einem kalten Winterabend mit einem „Gähnen und einem Blinzeln, einem verzeihungsheischendem Niesen und einem kurzen Gebell“ Leben in den Motor der „treulosen Kiste“ des Psychologen.
Die Verschmelzung von Gefühl und scheinbar nüchterner Wissenschaft in einem universitären, privaten und einem therapeutischen Rahmen der Handlung begeistern. Bemerkenswert ist auch, die Gedanken eines sich sorgenden Menschen hinter der Institution Psychologe anzutreffen und zu erkennen, was das Spannungsverhältnis zwischen Arzt und Patient kennzeichnet.
Das Lehrreich-Philosophische am Roman von Noam Shpancer erinnert nicht selten an die Lektüre von Deepak Chopra und hilft sogar, für sich persönlich das eigene Angst-Problem näher zu beleuchten und einmal darüber nachzusinnen. Loszulassen. Frei davon zu sein. Oder zu lernen, wie man frei davon wird.
Mit seiner Mischung aus Theorien von Freudianern, Behavioristen, Kognitivisten und Humanisten sowie kurzen erotischen Ausflügen in das nicht immer beherrscht disziplinierte Innere des Psychologen gelingt es Shpancer, der selbst als Therapeut tätig ist, den Leser in den faszinierenden Alltag eines Therapeuten zu verwickeln.
Noam Shpancer: Der gute Psychologe, Knaus Verlag 2011
Roman bei Amazon ansehen / bestellen
„Der gute Psychologe“ von Noam Shpancer ist ein lesenswerter, informativer und auch humorvoller Roman. Nicht die großen Themen, sondern die Nöte gewöhnlicher Menschen werden thematisiert, und zwar auf spannende Art und Weise.
http://buchundebook.blogspot.de/2013/11/theorie-gegen-praxis-der-therapeut-der.html