Eigentlich hatte sie mit Ihrem Hang zur Dichtung Schauspielerin werden wollen, aber letztlich ist die geschiedene Ellen Sachbearbeiterin im Einwohnermeldeamt geworden, wo sie im Großraumbüro vor sich hin leidet. Gemeinsam mit Ihrer verwitweten Mutter und ihrer 24-jährigen Tochter Amalia wohnt sie seit Ihrer Scheidung in der alten Jugenstilvilla im Odenwald, die ihre besten Tage auch schon lange hinter sich hat. Das Nonnenkloster nennen die Einheimischen Haus der Familie, da Männer dort offenbar nicht gerne gesehen sind.
Doch neuerdings scheint sich daran etwas zu ändern: Amalia hat offenbar einen Freund und eines Tages steht der attraktive Gerd vor der Tür und behauptet Ellens Halbbruder zu sein. Davon ist diese gar nicht begeistert und hält ihn gar für einen Schwindler – obwohl der Mann auf dem Foto doch wie ihr Vater aussieht…
Ein paar Gentests weiter ist Ellens Welt endgültig aus den Fugen geraten und als Entschädigung für die Situation, in die er Ellen gebracht hat, lädt Gerd sie und ihre Tochter auf eine Kreuzfahrt ein. Im Verlauf dieser Reise geht so manches über Bord…
Seit 1991 erfreut die 1935 in Shanghai geborene Autorin ihre Leserschaft mit schwarzen Krimikomödien. Zwar ahnt man bald worauf es hinauslaufen wird, aber nicht umsonst gilt Noll als Meisterin der Familientragödien, die die dunklen Seiten auf eine besonders amüsante Art zu zeigen weiß. Ein gutes Stück der Würze dieses Romans liegt auch darin, wie die Schriftstellerin beispielsweise die feine Gesellschaft solcher Kreuzfahrten vorführt, auf die Ellen und Amalia erstmals in ihrem Leben treffen. Eine vergnügliche Lektüre für einen kleinen Lese-Urlaub.
Die Originalausgabe von „Über Bord“ ist bereits vor zwei Jahren bei Diogenes erschienen. Jetzt ist der Roman auch als preiswertes Taschenbuch erhältlich
Ingrid Noll: Über Bord, Diogenes Taschenbuchausgabe 2014
Müsste es nicht „Hang zur Dichtung“ heißen? Und „Haus der Frauen“ würde ebenfalls besser passen. Und zur Mitte hin heißt die Frau auf einmal „Helen“ und nicht mehr Ellen …
Vielen Dank für Ihre Hinweise. Die beiden Fehler sind berichtigt. Natürlich könnte man auch „Haus der Frauen“ schreiben, ich ziehe es in diesem Fall vor es das „Haus der Familie“ zu nennen.