Lars Ruppel mischt Redensarten auf
Als Poetry-Slam vor rund 20 Jahren nach Deutschland kam gehörte er noch ganz klar zur Subkultur. Zwar wird Slam oft noch immer eher als leichte Unterhaltung angesehen denn als ernsthafte Literaturveranstaltung, doch spätestens seitdem Slam Poetry mancherorts sogar im Deutschunterricht thematisiert wird, um anhand dieser Lust am Spiel mit der Sprache zu wecken, ist sie in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.
Lars Ruppel ist derzeit einer der wenigen hauptberuflichen Poetry-Slammer und mittlerweile Gewinner zahlreicher Preise. Ende Oktober 2014 wurde er beispielsweise zum 18. Deutschsprachigen Poetry-Slam-Meister gekürt. Entscheidend für diesen Sieg waren auch zwei der zehn beziehungsweise elf Redensarten-Gedichte, die in dem 2014 erschienenen Band „Holger, die Waldfee“ auch in Buchform vorliegen. In jedem dieser Gedichte stellt Ruppel die Hauptperson einer Redensart ins Zentrum seiner humorigen wie kritischen Sprachspielereien.
Darin stecken mehr tiefgründige Gedanken, als man vielleicht auf den ersten Blick vermutet, unerwartetende Wendungen und Themenwechsel, die sich auch mal im veränderten Rhythmus der Reime niederschlagen. Profitgier und Kapitalismuskritik, verarmtes Leben in Wohnsiedlungen, in denen jeder den andren nur als Störfaktor ansieht, die Eigenschaft des Menschen, sich die Realität so hinzubiegen, wie er es gerne glauben möchte – für vieles ist Platz zwischen den Reimen, manchmal ganz subtil. Ruppel arbeitet viel mit Assoziationen, weckt Erwartungen, die er dann unterläuft oder dreht auf einmal das Ganze ins Absurde. Wie nicht anders zu erwarten, sind nicht alle Gedichte des Bandes von gleicher Überzeugungskraft, manche sind mitreißender als andere. Dennoch ist diese Anthologie sehr gelungen und sollte Leser auch über ihren angestammten Bereich hinaus finden!
Der performative Charakter geht natürlich in Schriftform etwas verloren (und wer das Glück hatte Ruppel schon mal live zu erleben weiß, dass dieser seine Dichtkunst lebhaft und gekonnt vorträgt), ein Problem, welches Poetry Slam-Texte mit Dramentexten gemein hat, dafür aber hat man als Leser deutlich mehr Zeit, die kritischen Unter- und Zwischentöne aufzunehmen, die beim Vortrag im dynamischen Vorantreiben untergehen.
Lars Ruppel: Holger, die Waldfee. Zehn Gedichte über Redensarten. Mit Illustrationen von Eyke-Sören Röhrs. Satyr Verlag 2014
ISBN 978-3-944035-37-6
EUR (D) 10,90 €