Hörbuch: Robert Gernhardt parodiert Klassiker

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Autor: S. Benedict-Rux
12. Mai 2007

51ESBCJNAKL. SL160 Der Schriftsteller, Lyriker, Zeichner und Maler Robert Gernhardt ist für Humor und Sprachwitz bekannt. In dem 2001 aufgezeichneten Mitschnitt einer Lesung arbeitet er sich in verschiedenen `Dichterzungen´ einmal quer durch die Literaturgeschichte, macht aber auch vor der Bibel und unpersönlichen und überpersönlichen Redeweisen wie dem Journalistenjargon oder Legenden nicht Halt.

Gernhardts Ausflug durch die Weltliteratur beginnt mit der Verkündung von Gottes elftem Gebot („Du sollst nicht lärmen“) an seinen Knecht Gernhardt, dem eine Fülle an Sonder- und Ausnahmeregelungen beigestellt wird. Weiter geht es mit Plato, Dante, Boccacios „Decamerone“ um dann ein Weilchen in den Gefilden der deutschen Literatur zu verweilen. Er dichtet ein Potpourri des hohen lyrischen Tons, welcher Goethe, Schiller, Rilke und andere Klassiker vereint. An Joseph von Eichendorffs „Zwielicht“ führt der Lyriker die Classic Sandwich“ – Technik vor, mit der man (so Gernhardt) problemlos den Gedichtbestand verdoppeln könne: Man nehme die erste und die letzte Zeile eines Gedichts und füge eine neue `Füllung´ ein… Die Füllung, das ist klar, offenbart völlig neue Zusammenhänge. Herrlich auch seine Parodie von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“. Das Attentat auf Lehrer Lämpel wird hier zum Busen-Attentat von Pat und Doris auf ihren Professor Theodor W. Adorno.

Lustige Gedichte, meinte Gernhardt, könne man nicht ins Lächerliche ziehen, dafür aber weiterdichten, so wie er es mit Ernst Jandls monovokalem Gedicht „Ottos Mops“ tut. Ob „Annas Gans“ oder „Gittis Hirsch“ usw. dies sind für mich die schwächeren Teile einer ansonsten sehr vergnüglichen Lesung, welche in der Tat dazu verführt (so der Klappentext ) auch mal wieder nach einem der Originale zu greifen, um es zu lesen.

Die Dichterlesung bietet erwartungsgemäß eine Fülle an Sprachspielen, satirischen Zuspitzungen, Wort- und Sinnverdrehungen. Robert Gernhardt ist es hervorragend gelungen, den Stil von Dichtern und Textsorten herauszukristallisieren und nachzuahmen – egal ob es sich um Lyrik, Prosa oder satirische Texte im Ton einer Erstleser-Fibel handelt. Überdies sind die einzelnen Teile von Gernhardt gekonnt in Ein- und Überleitungen eingebettet und vorgetragen – dieses Hörbuch ist ein Ohrenschmaus, der Freunden Gernhardtschen Humors den Verlust des im letzten Jahr Verstorbenen wieder spüren lässt.
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Robert Gernhardt: In Zungen reden, Stimmenimitationen von Gott bis Jandl, 2 CDs (ca. 85 Minuten), Der Hörverlag, München 2001

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